Samstag, 28. Mai 2011

Die Spätfolgen der Vertreibung

So lautet ein Artikel in der Psychologie Heute vom 12.05.11. Es wird über eine Untersuchung berichtet, wo es um die gesundheitlichen Spätfolgen der Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg geht: <Wissenschaftler der Universität Greifswald haben jetzt nachgewiesen, dass solche biografischen Erfahrungen lange nachwirken: Sie beeinflussen den psychischen und körperlichen Zustand der betroffenen Menschen im Alter>.
Ich würde sagen, das hat Arthur Janov lange vor diesen Wissenschaftlern aus Greifswald nachgewiesen, eben dass traumatische Erlebnisse in unserem System gespeichert sind und eine desaströse Wirkung (unbewusst) mit der Zeit ausüben, wenn diese nicht <ausgefühlt> werden. Janov führt neben seinen Erfahrungen aus seiner Tätigkeit als Psychotherapeut auch unzählige wissenschaftliche Fakten bei, welche seine Thesen untermauern.
Auch Psychotherapeutinnen wie Alice Miller und andere erörtern in ihren Büchern diesen Zusammenhang.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Wissenschaftler aus Greifswald noch nie ein Buch von Janov oder Miller in die Hand genommen haben! Geschweige denn, sich selber in Weise der Primärtherapie sich ihren verschütteten Gefühlen gestellt haben.
Warum erzählen ältere Menschen so oft von ihren Kriegs- und Nachkriegserlebnissen, sofern sie aufmerksame Zuhörer finden? Unsere psychischen Abwehrkräfte schwinden im Alter, dadurch tritt klarer hervor, was in unser Psyche nicht im Lot ist. Dadurch drängen diese unaufgelösten Inhalte mit starken emotionalen Gehalt ständig ins Bewusstsein, quasi einer Auflösung entgegen. Aber wenn diese Erlebnisse nicht <ausgefühlt> werden, löst sich nicht die emotionale Ladung, und es wird der Versuch gemacht, dem nächsten aufmerksamen Zuhörer das Erlebnis wieder zu erzählen.
Was das autobiographische Erzählen und Schreiben betrifft, welches in dem Artikel erwähnt wird, so ist das bestimmt hilfreich, weil es die Tür zu den verschütteten Erlebnissen und Gefühlen öffnet. Aber um diese Erlebnisse zu integrieren, bedarf es auch das Einfühlen in diese scherzhaften und erschütternden Erlebnisse. Erst das Fühlen und Auf-Sich-Nehmen bringt eine Erleichterung der emotionalen Ladung.
Da habe ich große Zweifel, ob dieses Forscherteam der Universität Greifswald dies leisten kann!

Dienstag, 10. Mai 2011

Wenn Mutti früh zur Arbeit geht


Kürzlich habe ich in der Zeit einen Artikel gelesen: <Wenn Mutti früh zur Arbeit geht>, Untertitel: Kindererziehung in Ostdeutschland. Die Zeit versucht sich ja offen, liberal und tolerant zu geben, fortschrittliches Bürgertum.
In dem Artikel verteidigt eine Journalistin die Kindertagesstätten von damals (DDR) und heute. Sie schreibt u.a.: <Ich bin eine Mutter, die ihre eigene Kindheit in der DDR verbracht hat; die dort in Krippe, Kindergarten und Hort gegangen ist, weil ihre Eltern beide Vollzeit arbeiteten. Und die es unter anderem auch deshalb für vollkommen normal hält, ein kleines Kind für einige Stunden am Tag in die Hände zweier professioneller Erzieherinnen zu geben, um während dieser Zeit selbst zu arbeiten.>
Dass die Erzieherinnen eine Ausbildung als Erzieherinnen haben, nehme ich doch mal an. Trotzdem klingt in dem Ausdruck <professionelle Erzieherinnen> durch, dass die das besser könnten mit der Erziehung als die eigene Mutter, eigentlich eine Beruhigung der innewohnenden Schuldgefühle.
Und weiter hört sich das als eine Perpetuierung der Kette von ähnlichen Situationen an (eigene Kindheit ==> eigene Kinder), was heisst, dass da keinerlei Selbstreflexion, Selbstexploration stattgefunden hat. Alles oberhalb der verschütteten Gefühle, mit denen ich als Psychotherapeut ständig zu tun habe. Die Autorin hat, wie viele aus der ehemaligen DDR keine Ahnung, welche ngGs (nicht-gefühlten Gefühle) da in ihren Tiefen rumlungern.
Weiter im Artikel zitiert die Journalistin eine Bekannte aus Berlin: <Auch für Kerstin, eine Bekannte von mir, Politikwissenschaftlerin aus Berlin, war klar, dass ihre Zeit als Vollzeitmutter begrenzt sein würde: »Gerade beim ersten Kind ist es mir sehr schwergefallen, mich damit zu arrangieren, dass mein kompletter Tagesablauf fremdbestimmt war. Da war es gut, zu wissen, dass diese Zeit überschaubar sein würde.«>. Fremdbestimmt ist gut gesagt, wenn man vom eigenen Kind spricht.
Das ist aber gerade das, was man mit eigenen Kindern lernen kann: dass sich nicht alles um die Zeit für mich dreht, dass sich nicht das ganze Leben um mich dreht, sondern dass ich mich auch um andere sorge, am leichtesten fällt dieser Schritt wohl mit den eigenen Kindern. Wer in diesem Zusammenhang von <fremdbestimmt> spricht, hat wohl ein starkes Aufmerksamkeitsdefizit, ein unverarbeitetes, aus seiner frühen Kindheit und will es nicht wahrhaben.
Man könnte das emotionale Blindheit nennen: Die Suche nach dem wahren Selbst (siehe Alice Miller), da eben, wo die verschütteten Gefühle sitzen.
Ausserdem deutet es darauf hin, dass schon die Mutter von dieser Kerstin aus Berlin nicht viel mit ihrem Kind anfangen konnte. Sie hat sich wohl auch schon fremdbestimmt gefühlt. Eine Kette von Ähnlichen Situationen, die keiner durchbricht!
Alles nicht so wilde Sache, wenn die Leute ihre eigene Gefühlswelt etwas durchforsten würden. Aber nein, sie versuchen ihre Defizite (wie fremdbestimmt) auf einen goldenen Sockel zu heben, als was <Freies> darzustellen.